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9. May 2025
Business

Reverse Mentoring – ein neues Rollenverständnis

Tobias
  • Mai 9, 2025
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Reverse Mentoring – ein neues Rollenverständnis

Als General Electric Ende der 1990er-Jahre erstmals jüngere Mitarbeiter als Lehrmeister für gestandene Führungskräfte einsetzte, galt das als mutiges Experiment. Heute ist Reverse Mentoring in vielen DAX-Konzernen und Mittelständlern fest verankert, weil fünf Generationen parallel zusammenarbeiten und digitale Kompetenz nicht mehr allein von Dienstjahren abhängt.

In Traditionsbetrieben – vom Maschinenbauer bis zur Genossenschaftsbank – offenbart das Format ein enormes Innovationspotenzial: Es bricht Hierarchien auf, beschleunigt den Wissenstransfer und macht latente Kulturkonflikte sichtbar, bevor sie zu Produktivitätsbremsen werden.

Gen Z spielt eine besonder Rolle

Die 20- bis 30-Jährigen sind mit Touchscreen, Social Media und algorithmischer Empfehlungskultur aufgewachsen. Für sie ist es selbstverständlich, per Voice-Befehl eine Maschine zu steuern oder mit Augmented-Reality-Filtern Kundenerlebnisse zu inszenieren. Dieser “Digital Instinct” trifft in Traditionsbetrieben auf Prozesse, die teils seit Jahrzehnten unverändert laufen.

Reverse Mentoring nutzt die Neugier der Gen Z systematisch: Als Mentoren erklären sie nicht nur TikTok-Mechaniken, sondern vermitteln Denkweisen – iteratives Prototyping, radikale Nutzerzentrierung, Inklusivität. Damit entsteht ein geschützter Raum, in dem Senior Executives experimentieren dürfen, ohne einen Gesichtsverlust zu riskieren.

Voraussetzungen für gelungene Tandems

Erfolgreiche Programme starten oben: Wenn ein Vorstandsmitglied sich freiwillig coachen lässt, sendet das ein starkes Signal. Ebenso wichtig ist Freiwilligkeit bei allen Teilnehmenden sowie ein sorgfältiges Matching nach Interessen, nicht nach Titeln.

Konkurrenzsituationen müssen ausgeschlossen sein: Mentor und Mentee sollten weder direkte Berichtslinien noch KPI-Abhängigkeiten teilen.

Ein Kick-off-Workshop definiert Lernziele – etwa den Aufbau einer Social-Selling-Strategie oder den Einsatz kollaborativer Whiteboards – und vereinbart vertrauliche Regeln.

Empfohlen werden sechs- bis zwölfmonatige Zyklen mit zweiwöchentlichen Sessions, flankiert von kurzen Retrospektiven, in denen beide Seiten Lernerfolge dokumentieren.

Mehrwert für erfahrene Fach- und Führungskräfte

Senior Manager erhalten einen ungeschminkten Blick auf digitale Lebensrealitäten: Wie vielfältig Recruiting-Kanäle geworden sind, weshalb Memes als Customer-Service-Tool funktionieren oder welche Werte Nachhaltigkeitskommunikation glaubwürdig machen.

Oft wandelt sich das ursprüngliche Techniktraining zu einem Perspektivcoaching: der CEO analysiert mit einem 24-Jährigen Instagram-Reels und erkennt, dass Storytelling in fünfzehn Sekunden genauso Wirkung erzeugt wie eine Pressemitteilung. Die Folge ist nicht nur ein Kompetenzgewinn, sondern auch ein kultureller Reset – Barrieren in der internen Kommunikation sinken, weil der Erfahrungsträger gelernt hat, in Slack-Threads um Rat zu fragen statt top-down anzuweisen.

Gewinnchancen für die Gen Z-Mentoren

Auch die jungen Coaches profitieren. Durch den direkten Zugang zur Unternehmensspitze bauen sie wertvolle Netzwerke auf, erweitern ihre Präsentations- und Feedback-Skills und erleben, wie strategische Entscheidungen entstehen.

Sie lernen, ihr Fachwissen in die Sprache von P&L-Verantwortlichen zu übersetzen – eine Schlüsselkompetenz für künftige Führungsaufgaben. Zudem erfahren sie Wertschätzung: Ihre Expertise ist nicht “nice to have”, sondern essenziell für die Zukunftsfähigkeit des Betriebs. Das steigert die Bindung und senkt Wechselbereitschaft, ein wichtiger Faktor im “War for Talent”.

Organisatorische Einbettung

Reverse Mentoring ist kein Einmal-Event, sondern Teil einer Lernarchitektur. HR-Abteilungen etablieren deshalb Leitfäden, benennen Programm-Owner und verankern das Format in Zielvereinbarungen.

Während klassische Schulungen Kosten für externe Trainer verursachen, schlummern die Ressourcen hier bereits in der Belegschaft. Budget fließt vor allem in Moderations-Tools, Kollaborationsplattformen oder kurze Trainings, die junge Mentoren dabei unterstützen, ihr Wissen didaktisch aufzubereiten.

Wichtig ist eine Erfolgsmessung jenseits weicher Gefühlskriterien: etwa der Anteil digitaler Kanäle am Vertriebserlös, die Zahl automatisierter Prozesse oder der Net-Promoter-Score nach einer Social-Media-Kampagne, die im Tandem entwickelt wurde.

Innovationsimpulse über den Bildschirm hinaus

Reverse Mentoring zeigt Wirkung weit über Technikthemen hinaus. Wenn ein Junior-Mentor seiner Mentee erklärt, warum Gen Z Feedback in Echtzeit erwartet, führt das in Produktionsbetrieben zu Shopfloor-Tablets mit Live-Dashboards.

Im Bankenumfeld beispielsweise kann es bedeuten, dass Senior-Kundenberater Termine via Video-Ident anbieten, weil sie die Convenience-Logik junger Nutzer verinnerlicht haben.

Und wer Innovationskultur wirklich radikal denkt, ergänzt die Tandem-Sessions um gezielte Regenerationsimpulse – von Mikro-Meditationen über kurze Walking-Meetings bis hin zu wohldosierten CBD-Breaks; Untersuchungen (Bloomfield M.A.P. et al., 2020, Journal of Psychopharmacology;  Hotz J. et al., 2021, Journal of Psychiatric Research) zeigen, dass CBD den Hippocampus-Blutfluss erhöht und das verbale Gedächtnis verbessert – Faktoren, die potenziell das kreative Denken fördern.

Herausforderungen und Stolpersteine

Natürlich birgt der Rollentausch Konfliktpotenzial. Manche Führungskraft fürchtet, ihre Autorität zu verlieren, wenn sie Unwissen zugibt. Manche Mentoren unterschätzen den Zeitaufwand oder verfallen in Schulmeister-Ton. Ein offener Dialog über Erwartungen hilft, diese Hürden abzubauen.

Ebenso wichtig ist Diversität im Matching: Es lohnt sich, Mentoren nach Hintergrund, Fachrichtung und Persönlichkeit breit aufzustellen. So lernt der Technikvorstand von einer Social-Entrepreneurship-Absolventin, der Finanzchef von einem Musik-Produzenten, die Produktionsleiterin von einem Umwelt-Influencer. Diese Querverbindungen befeuern Innovationssprünge, weil sie eingespielte Denkmuster zugleich herausfordern und ergänzen.

Praxisbeispiele: Von BMW bis Mittelständler

BMW startete 2014 mit Auszubildenden als Mentoren, um Social-Media-Know-how in die Chefetagen zu bringen. Inzwischen nutzen über 500 Tandems die Methode auch für KI-Prototyping oder virtuelle Kundenworkshops.

Ein schwäbischer Werkzeugmaschinenbauer setzt Reverse Mentoring ein, um SAP-Fiori-Apps auf Shopfloor-Tablets zu testen. Hier coacht eine duale Studentin den Produktionsleiter – binnen acht Wochen sank die Rüstzeit um 12 Prozent, weil Dashboards nun Echtzeit-Stückzahlen anzeigen.

In einer Genossenschaftsbank führte das Programm dazu, dass ältere Berater TikTok-Clips über Baufinanzierung drehen; das Video-Engagement lokaler Zielgruppen verdoppelte sich binnen zwei Monaten.

Ausblick: Vom Tandem zum Lernökosystem

Je länger Reverse Mentoring läuft, desto stärker verästelt es sich. Aus Zweiergesprächen erwachsen Communities of Practice, aus ihnen Innovations-Labs, Hackathons oder bereichsübergreifende Shadowing-Programme. Wo einst ein Mentee zögerlich nach LinkedIn-Tipps fragte, arbeitet er später als Sponsor eines New-Work-Piloten, dessen Steuerkreis von Gen Z-Mentoren mitgestaltet wird.

So entwickelt sich das anfänglich bilaterale Format zum organisationellen Lernökosystem – ein agiler Kreislauf, der Traditionsbetriebe Upgrade für Upgrade in die Zukunft trägt.

Linkquellen:

Bloomfield M.A.P. et al., 2020, Journal of Psychopharmacology 

Hotz J. et al., 2021, Journal of Psychiatric Research

Tobias
About Author

Tobias

Tobias Friedrich, Jahrgang 1971, lebt mit seiner Familie in Berlin. Er absolvierte ein Studium im Bereich Wirtschaftsrecht und arbeitet seither als unabhängiger Journalist. Im Laufe seiner Karriere verfasste er Artikel für renommierte Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine und die Süddeutsche Zeitung.

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